Wie gesagt, es waren Tausende und Abertausende, die das gleiche taten, die meisten zu Fuss, andere mit Fahrrädern, Mopeds oder auch auf Schlittschuhen. 

 

Das Eis war keineswegs glatt und topfeben. Jedenfalls machte das Gehen Mühe. Gelegentlich musste man auch kleinen Löchern ausweichen. Aber was solls! Ein solch seltenes Ereignis wollte sich keiner entgehen lassen. Alle paar hundert Meter waren Wurst- und Getränkestände aufgebaut, ja sogar Marroni-Händler mit ihrem Feuertopf boten ihre Ware feil. Und bei jedem Kilometer war auch ein «Markstein», allerdings aus Holz und ins Eis gerammt. Nur dank dieser Abwechslungen und natürlich dank der vielen Leute konnte kein mulmiges Gefühl aufkommen – eigentlich verwunderlich angesichts der Wassertiefe in der Seemitte und der vergleichsweise halt doch dünnen Eisdecke! 

 

Am Ziel etwas müde und durchfroren angekommen, gab es keine Passkontrolle, wie das damals sonst üblich war, sondern einen Ausweis. Darin steht: «Wir gratulieren! Es wird bescheinigt, dass (Name) am heutigen Tag den zugefrorenen Bodensee zu Fuss überquerte. Gute Heimkehr und auf Wiedersehen! Verkehrsamt Nonnenhorn, 3. März 1963.» Neben diesem Attest erinnert mich auch ein kleines Buch an diese «Bodenseegfrörni». 

 

Übrigens: Nach Hause gings dann recht bequem mit dem Zug via Lindau und Bregenz zurück .An dieses wirklich einmalige Erlebnis werde ich mich zeit meines Lebens erinnern. Schliesslich kann nicht jeder sagen, er habe den Bodensee zu Fuss überquert. Wer weiss, wann dieser wieder ganz zufrieren und gefahrlos betretbar wird. 

Das war 1963 

Zu Fuss über den Bodensee 

3. März 1963: Es war ein kalter, aber sonniger Sonntag. Zu tausenden strömten die Leute – meist ganze Familien – ans Seeufer in Rorschach. Schon seit Wochen kündigte sich nämlich ein Naturereignis an, ein sehr seltenes. Die Historiker wissen von den Jahren 1880, 1830 und dann erst wieder von 1695. Nun warteten alle darauf, dass es sich wieder ereigne. Aber die Klimaerwärmung... 

 

Tatsächlich! Die Launen der Natur spielten mit. Es war schon seit Monaten kalt, sehr kalt. Und es blieb kalt, wirklich sehr kalt. Lang dauernde Kälte ist die Voraussetzung, dass sich dieses Naturereignis überhaupt einstellen kann, nämlich das Zufrieen des Sees – nicht irgend eines Sees, sondern des grössten Sees in Mitteleuropa, des Bodensees («Schwäbisches Meer»). 

 

Im Februar 1963 war es soweit. Der ganze Bodensee war zugefroren. Doch das Eis war noch nicht tragfähig genug. Die Eisfläche wurde erst am 26. Februar zum Betreten frei gegeben. Von da an tummelten sich die Leute auf dem See, jawohl: auf dem See, nicht im See. Das Spektakel dauerte bis zum 9. März. Denn dann machten sich die ersten Anzeichen des Frühlings bemerkbar. Zwar war die Eisschicht immer noch gut 23 Zentimeter dick, doch es wurde zunehmend wärmer. Das Betreten des Sees wurde daher von den Behörden aller Anliegergemeinden strikte verboten. 

 

Zurück zum 3. März 1963. Ich reiste mit dem Zug nach Rorschach und stülpte am Ufer, wie das andere auch taten, Kupferlappen um die Winterschuhe. Dann gings los! Dreieinhalb Stunden dauerte die Seeüberquerung an der (fast) breitesten Stelle, eben von Rorschach nach Nonnenhorn. Das sind immerhin etwa 14 Kilometer.