Parteistärke ≠ Fraktionsstärke
Satire
Politik:
einmal anders erklärt
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Fraktionen und ihre Bedeutung
Die Bundesversammlung ist politisch in Fraktionen und nicht in Parteien gegliedert.
Die Fraktionen umfassen Angehörige der gleichen Partei oder gleichgesinnter Parteien.
Eine Fraktion ist also nicht immer mit einer Partei identisch.
Zur Bildung einer Fraktion ist der Zusammenschluss von mindestens fünf Mitgliedern eines Rates erforderlich.
Im Ständerat gibt es nur informelle Fraktionen, Gruppen genannt.
Kein Fraktionszwang – nur (löchrige) Fraktionsdisziplin
Laut Bundesverfassung ist in der Schweiz der Fraktionszwang verboten. Dies im Unterschied etwa zu Deutschland, wo Abweichler gelegentlich auch als Verräter gebrandmarkt werden. Alle Parlamentarier sind sind somit in ihrem Abstimmungs- und Wahlverhalten völlig frei!
Die Frage ist daher, wie erfolgreich Fraktionspräsidenten sind, um ihre Mitglieder zu disziplinieren. Die Erfahrung der letzten Jahre: Eher geschlossen stimmen die Sozialdemokraten und erst recht die Grünen. Ganz übel steht es jedoch bei der Mitte, früher CVP: Über viele Jahre hinweg stimmt etwa ein Viertel der Fraktionsmitglieder anders, als die Fraktion eigentlich beschlossen hat. Die Mitte gilt daher als besonders unzuverlässiger Koalitionspartner.
Nur Fraktionsangehörige in Kommissionen
Die Fraktionen sind für die Meinungsbildung wichtig. Sie beraten wichtige Ratsgeschäfte vor und versuchen, sich auf einheitliche Positionen festzulegen.
Die Fraktions-/Gruppenzugehörigkeit ist eine Voraussetzung für den Einsitz in eine vorberatende Kommission. Im Unterschied zu den Beratungen im National- und im Ständerat sind die Beratungen der Kommissionen vertraulich.
Die Beschlüsse der Kommissionen sind zentral: Anträge des Bundesrates werden zuerst von einer Kommission beraten. Deren Beschlüsse können teils markant vom Antrag des Bundesrates abweichen. Im Parlament (Plenum; ob National- oder Ständerat) stehen die Kommissionsanträge zur Diskussion. Der Bundesrat kann sich allenfalls für seinen Antrag stark machen.
Dabei – und doch ausgeschlossen
Wer nicht einer Fraktion angehört bzw. ange-hören will, ist praktisch «weg vom Fenster». Er gehört keiner Kommission an und verfügt somit über gar keine vertraulichen Informationen. Er politisiert, soweit das überhaupt noch möglich ist, im «luftleeren Raum». – Aktuell galt das zunächst für einen Vertreter von MCG. Der Tagesanzeiger schrieb es so: «Aussenseiter im neuen Parla-ment: Poggia ist der erste Ständerat ohne Heimat und wohl ohne Einfluss.» – Poggia hat sich kurz vor Sessionsbeginn nun doch noch für einen Anschluss entschieden...
Listenverbindungen verfälschen den Wählerwillen!
Zwei Gründe führen dazu, dass bei der Volkswahl für den Nationalrat die Fraktionsstärken nicht den Parteistärken entsprechen:
1. Das eidg. Wahlrecht erlaubt (immer noch) sogenannte Listenverbindungen.
2. Zudem schliessen sich gewählte Volksvertreter, die nicht Fraktionsstärke erlangen, einer Fraktion an.
Das ist insofern verständlich, als Fraktionslose von den wichtigen vorberatenden Kommissionen ausgeschlossen sind und daher eine «Heimat» suchen, um vom Parlamentsbetrieb nicht völlig ausgeschlossen zu sein.
Zur Diskussion steht somit ein neues Wahlrecht, wie es z. B. im Kanton Zürich seit wenigen Jahren gesetzlich geregelt ist: Listenverbindungen sind danach verboten, womit die Sitzverteilung im Kantonsrat annähernd der wirklichen Parteistärke entspricht. Nach einigem Zähneknirschen ist die neue Regelung nun aber allseits akzeptiert.
Die obenstehende Tabelle zeigt, wie «ungerecht» die derzeitigen Fraktionsstärken im Vergleich zu den eigentlichen Parteistärken sind. Die Extreme:
Dank Listenverbindungen hat die SVP 6 Sitze mehr, als ihr eigentlich zusteht, die GLP jedoch 5 Sitze weniger.
Wo immer man politisch steht: Das ist inakzeptabel!