Ausgefranst,  

weil herrenlos 

 

Symbol der Entfremdung 

So war es landauf und landab gang und gäbe, dass der Posthalter und der Bahnhofvorstand nicht nur in lokalen Vereinen aktiv waren, sondern auch politische Verantwortung übernahmen.

Viele dieser lokalen Repräsentanten staatlicher Betriebe haben Ämter in Gemeinderäten, in Schul- und Kirchenpflegen übernommen oder sich sonst wie für das Gemeinwohl stark gemacht. Sie waren einst Anker-Personen am Ort, so wie der Pfarrer und der Lehrer im Dorf.

Dieses Reservoir an glaubwürdigen Amtsträgern ist vollständig versiegt. Bahn und Post haben damit geschätzte Ansprechpartner, die sich mit ihrem Umfeld eng verbunden fühlten, sich für ihre Unternehmen aber auch stark machten und Vertrauen schafften, still und leise abgezogen.

Mancher Frust, der sich heute in den Medien über Bahn und Post entlädt, kam früher gar nicht erst auf, weil Bewohner immer eine glaubwürdige Bezugsperson zu diesen Riesen in ihrer Nähe hatten. Sie waren die personifizierte Bahn und die personifizierte Post, die dauernd präsent waren.
Tempi passati…

Die grosse und weitherum sichtbare Schweizer Fahne auf dem Dach des Hauptbahnhofs Winterthur ist seit langem ausgefranst, farblich verblasst und hängt an einem völlig ausgeleierten Drahtseil. Das ist
   a) zwar eine Schande,
   b) aber nicht verwunderlich.
Zu «alten Zeiten» gab es noch einen Bahnhofinspektor, der mit dem Kranz am Hut. Der Bahnhof war «sein» Haus, und da hat er peinlichst für Ordnung gesorgt. Heute gibt es weder den Kranz noch den Hut und schon gar keinen Bahnhof-
inspektor. Überhaupt sieht man keine Ansprechperson mehr am Bahnhof. Die Durchsagen stammen von irgendwo her, vielleicht von Indien oder so, wo vermutlich auch das Stellwerk für die Bahnhof-Ein- und Ausfahrten stationiert ist – wer weiss! Das nennt man rationalisieren.

Respektpersonen wegrationalisiert

Die Bahn steht nicht allein am Pranger. Die Post tut es ihr gleich. Früher, ja früher, da gab es im Dorf oder im Quartier einen Posthalter, und bei der Bahn war es der Stations-beamte bis hinauf, eben bis zum Bahnhofînspektor. Das waren durchwegs Respektspersonen; auf sie war Verlass.



Die Fahne ist aufgrund meiner Intervention in den letzten Jahren schon zweimal ersetzt worden. Das ändert allerdings nichts an den nachfolgenden grundsätzlichen Äusserungen.